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Sieben Jahre.

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Heute sind es auf den Tag genau sieben Jahre, seit ich selber Züge führe. Am 3. März 2009 setzte ich mich zum allerersten Mal alleine in einen Führerstand. Die Zugnummer lautete 18973, eine S9 also, mit Abfahrt 17:38 in Zug, Ziel Uster. Meine Eltern fuhren als Passagiere im ersten Wagen hinter der Lok mit, um diesen grossen Moment mit mir zu teilen.

Martin Senn (Prüfungsexperte) übergibt Markus Leutwyler das Lokführerdiplom.

Prüfungsexperte Martin Senn übergibt Markus Leutwyler das Lokführerdiplom.

Sieben Jahre. In einigen Bereichen des Lebens ist das keine allzu grosse Zeitspanne. Wer ein Bild von mir aus dieser Zeit anschaut, wird mich problemlos wiedererkennen. Ebenso mein Haus oder die Strasse, in der ich wohne.

Und bei der Eisenbahn? Diese uralte, traditionelle Art der Fortbewegung, da hat sich doch sicher nicht viel verändert, könnte man meinen. Klar, wir fahren immer noch auf Schienen und die Züge haben immer noch eine ähnliche Form. Und doch gab es Umwälzungen, grosse und kleine.

Mein erster Zug beispielsweise, der fährt so gar nicht mehr. Die Linie wurde umbenannt in S5 und sie führt neu von Zug nach Pfäffikon SZ. Die vierte Teilergänzung des Zürcher Verkehrsverbunds hat ziemlich viel Altbekanntes auf den Kopf gestellt. Prominenteste Beispiele dafür sind der Weinbergtunnel nach Oerlikon und die beiden Brücken der Durchmesserlinie in Richtung Altstetten.
Den Bau dieser Brücken konnte ich vom Anfang bis zum Ende beobachten.

Bau der Letzigrabenbrücke.

Bau der Letzigrabenbrücke.

Element um Element wuchsen die Brücken in die Länge. Und irgendwann traf das letzte Element auf den Brückenkopf Seite Altstetten und wurde mit ihm verbunden. Fahrleitungsmasten und Signale wurden errichtet. Im vergangenen Dezember befuhren dann die ersten regulären Züge diese «Achterbahn». Ich habe in der Zwischenzeit selbst schon Züge über die Brücken geführt. Solche, die nach Genf fahren.

Baustelle Europaallee.

Baustelle Europaallee.

Im Jahr 2012/13 wurde mir ein Sprachaufenthalt in Lausanne ermöglicht. Ich lernte neue Kolleginnen und Kollegen, neue Strecken und sogar neue Fahrzeugtypen kennen. Der RABe 511 war damals frisch ab Werk und wir im Welschland waren unter den Ersten, die ausgebildet wurden. Ich erinnere mich noch an einen Zug, der erst knapp 4000 Kilometer auf dem Zähler hatte. Etwas Besonderes, wenn man bedenkt, dass Züge Millionen von Kilometern zurücklegen, bis sie zum Alteisen gehören!

Auch das Umgekehrte habe ich erlebt. Mit dem vorletzten Fahrplanwechsel sind die RBe540 (ehem. RBe 4/4) von einem Tag auf den anderen aus dem Blickfeld verschwunden. Diese als «Expo 64-Züge» bekannten Triebwagen waren gutmütige Arbeitspferde. Unbequem, unklimatisiert, ineffizient und laut, aber dafür zuverlässig und mit einer guten Haftung auf den Schienen.

RBe 540: Ausgemustert im Dezember 2014.

RBe 540: Ausgemustert im Dezember 2014.

Blick in den Führerstand eines BDt (Steuerwagen). Diese alten Führerstände verschwinden langsam aus dem Alltag.

Blick in den Führerstand eines BDt (Steuerwagen). Diese alten Führerstände verschwinden langsam aus dem Alltag.

Ein grosser Wandel hat sich auch im Bereich der Kommunikation abgespielt. Zu meiner Anfangszeit konsultierte ich noch täglich das Anschlagbrett, an welchem dutzende Zettel hingen. Ebenso erhielten wir regelmässig die neusten Vorschriften und Streckentabellen in Papierform. Und heute, da dies alles elektronisch erfolgt, kann ich ein Geständnis ablegen: Dieser Zettelkram war nicht meine Stärke. Manchmal stapelten sich die Papiere bei mir, ich hätte mein Zimmer damit tapezieren können…

Auch gegenüber den Kunden wird anders kommuniziert. Die Stationsansagen erfolgen heute meist «ab Band», d.h. eigentlich ab einem kleinen Computer. Die Rollbandanzeigen an den Seiten und Fronten der Züge wurden durch Punktmatrixdisplays ersetzt. Und als auffälligste Vertreter dieser Veränderung sind sicher die neuen Bildschirme in grossen Bahnhöfen zu nennen, die die Fallblattanzeigen ersetzen.

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Die alten Rollbandanzeigen…

Ein mittlerweile auch ersetztes Punktmatrixdisplay mit Fernweh.

… wurden mittlerweile durch Punktmatrixdisplays ersetzt. Hier eines mit Fernweh.

Die Einsprachen gegen die Antennen des Bahnfunksystems «GSM-R» scheinen mittlerweile abgearbeitet, sodass wir nun lückenlos über ein eigenes Handynetz digital kommunizieren können. Der «Zugfunk 88» wurde abgeschaltet.

Für den Kunden zwar sehr wichtig aber kaum sichtbar sind die Verbesserungen im Bereich Sicherheit. Heute gibt es keine direkt wirkenden Notbremsen mehr, sondern «Notbremsanforderungen», die ein unerwünschtes Anhalten in Tunnels verhindern können. Geöffnete Türen werden im Führerstand angezeigt und es wurde intensiv in die Zugüberwachung (ZUB und ETCS) investiert.

 

Wie sehen meine Arbeit und mein Umfeld wohl in sieben Jahren aus?

 

Seit sieben Jahren arbeitet Markus als Lokführer, seit ziemlich genau drei Jahren ermöglicht er euch im hier Blog einen Einblick in seinen Arbeitsalltag. → Mehr Beiträge von Markus lesen.


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